Sexuelle Gewalt in der Beziehung - Hilfe für Opfer und Angehörige
Gerade in Beziehungen werden Frauen Opfer von sexualisierter Gewalt. Darunter fällt nicht nur die strafbare Handlung der Vergewaltigung, sondern auch sexueller Druck, die Instrumentalisierung der Sexualität, und alle anderen sexualisierten Handlungen gegen den Willen der Partnerin. Natürlich werden auch Männer Opfer von sexueller Gewalt, dennoch wird im folgenden Artikel die weibliche Form verwendet. Was genau bei sexualisierter Gewalt passiert und wie sich Opfer und Angehörige von Opfern helfen können, erfahren Sie in unserem Ratgeber.
Allgemeines | Gewalt in der Beziehung | Strafbarkeit | Opfer- und Angehörigenhilfe |
Allgemeine Informationen
Am allerhäufigsten kommt sexuelle oder sexualisierte Gewalt in Beziehungen vor. Doch sexuelle und sexualisierte Gewalt sind nicht das Gleiche: Sexualisierte Gewalt meint eine Ausübung von sexueller Gewalt als Mittel zum Zweck. Das heißt, dass in diesem Fall sexuelle Gewalt ausgeübt wird, um z. B. Macht zu demonstrieren oder den Partner zu demütigen und nicht, um Sex zu haben.
Zwei Drittel der sexuellen Straftaten werden von Tätern begangen, die ihren Opfern bekannt sind. Der Partner oder das Date sind häufig die Täter. Dies führt dazu, dass das Opfer Angst hat, zur Polizei zu gehen oder sonst jemandem von der Tat zu erzählen, weil es sich schuldig führt. Insgesamt werden nur ca. 5% der begangenen Vergewaltigungen angezeigt, von diesen werden etwa 13% tatsächlich verurteilt. Deshalb gilt: Sexuelle Gewalt immer sofort zur Anzeige bringen und schnellstmöglich einen Arzt konsultieren, der etwaige Beweise sichern kann!
Die wichtigste Devise für Opfer ist: Nein heißt Nein! Die Verantwortung für eine sexuelle Straftat liegt allein beim Täter. Es gibt kein Verhalten, das eine Vergewaltigung rechtfertigt oder vor ihr schützen kann.
Sexuelle Gewalt in der Beziehung
In Beziehungen läuft sexuelle Gewalt nach einem klassischen Muster ab. Aus anfänglicher Lust von Frischverliebten wird irgendwann ganz normaler Alltag. Noch kristallisiert sich keine sexuelle Gewalt heraus, auch in glücklichen Partnerschaften ist dies ganz normal. Misshandelnde Partner fordern an diesem Punkt von ihrer Partnerin, dass sie das Schema aus der Anfangszeit der Beziehung aufrecht erhält. Der Täter kümmert sich kaum um seine Partnerin, d. h. es gibt kaum Vorspiel, es wird sich nicht mehr um eine romantische oder erotische Stimmung bemüht. Stattdessen wird grob gegrapscht und dann erwartet, dass die Partnerin Lust auf Sex bekommt. Der misshandelnde Partner sieht Sex als Grundrecht in einer Partnerschaft an. Diese Annahme ist grundlegend falsch! Das Problem liegt nun darin, dass es den Partner frustriert, wenn sie keinen Sex möchte und er dann diesen Frust an ihr auslässt. Die Frau bekommt Angst davor, dass der Partner wütend werden könnte und kommt deshalb seinen Wünschen nach - auch, wenn sie nicht will.
Psychische und verbale Gewalt
Die Partnerin wird immer mehr psychischem und verbalem Druck ausgesetzt. Der Partner wertet sie ab, übt Druck auf sie aus und beleidigt sie. Manchmal kommt sogar körperliche Gewalt in Form von Schlägen hinzu. Die Folge ist, dass die Frau sich sozusagen selbst vergewaltigt: Sie zwingt sich, aus Angst vor den Folgen, wenn sie es nicht täte, zum Sex. An diesem Punkt kommt es oft zu Alkohol- oder anderem Substanzmissbrauch, um sich "in Stimmung zu bringen", bzw. um die körperliche Beziehung zu ertragen. Die Angst der Frau ist begründet: Bei Verweigerung entlädt sich der Frust des Partners über ihr. Das Totschlagargument des Partners ist dann folgendes: Er sei nur frustiert, weil sie ihm keinen Sex gebe. Der Sex wird also als Legitimation für den Frust missbraucht. Der Partner gibt seiner Partnerin die Schuld an der Misere. Außerdem wird oft damit gedroht, er würde sie verlassen oder sich seinen Spaß bei einer anderen Frau holen. Davor hat die Partnerin Angst, denn natürlich liebt sie ihren Mann. So zieht sich der Teufelskreis immer enger um sie zusammen.
Aus dem Teufelskreis entkommenSexuelle Gewalt in der Beziehung
Für Frauen gibt es an diesem Punkt nur eine Möglichkeit: Sie müssen den Mann verlassen. Es gibt Einrichtungen für Frauen aus gewalttätigen Partnerschaften, so genannte Frauenhäuser. Dort kann die Frau erst einmal unterkommen. Außerdem sollte ggf. die Polizei und ein Arzt aufgesucht werden. Denn auch in der Ehe ist sexuelle Gewalt strafbar!
Strafbarkeit von Vergewaltigungen
Sexuelle Gewalt und insbesondere Vergewaltigung sind strafbare Handlungen! Hierbei ist es egal, ob der Täter und das Opfer sich kannten, ob sie verheiratet waren oder völlig Fremde. §177 StGB regelt das Strafmaß für Vergewaltigungen. Das Mindestmaß ist hier ein Jahr. Auch §179 StGB regelt sexuelle Gewalt. Derzeit (Stand: Mai 2016) ist eine Gesetzesänderung auf dem Weg, die es auch unter Strafe stellen soll, wenn ein Mensch vergewaltigt wird, der sich nicht körperlich wehrt. Denn viele Frauen wehren sich nicht, aus Gewohnheit, aus Angst, aus Schock. Auch Sex mit dem schlafenden Opfer ist strafbar und kann und sollte zur Anzeige gebracht werden. Die §§ 185 (Beleidigung), 223 (Körperverletzung) und 240 (Nötigung) StGB können zur Bemessung des Strafmaßes bei sexueller Gewalt herangezogen werden.
Anzeige - und dann?
Zunächst kann eine Vergewaltigung bei jeder Polizeidienststelle angezeigt werden. Wichtig zu wissen: Da Vergewaltigung ein Verbrechen darstellt, kann die Anzeige nicht zurückgezogen werden. Einmal ins Rollen gebracht, müssen Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln. Es kann auch ein Streifenwagen zum Tatort gerufen und die Anzeige dort aufgegeben werden. Bei der Anzeigenerstattung werden Ihre Personalien, Angaben über Täter, Tatort und Tatzeit und erste Hinweise zur Tat aufgenommen. Falls Sie als Opfer vor der Erstattung der Anzeige noch nicht ärztlich untersucht worden sind, werden Sie nun in ein Krankenhaus gebracht, wo dies geschieht. Hier werden auch Beweismittel, wie z. B. Fremd-DNA gesichert.
Als nächstes erfolgt eine ausführliche Vernehmung, die auf Wunsch von einer weiblichen Kriminalbeamtin durchgeführt wird. Hier müssen Sie wahrheitsgemäß alles sagen, was zur Aufklärung des Falles beitragen kann. Die Polizei befragt außerdem weitere mögliche Zeugen und sichert Beweise, z. B. am Tatort.
Die Staatsanwaltschaft kann Sie danach auch nochmal als Zeugin laden. Auch hier müssen Sie die Wahrheit sagen, dürfen nichts weglassen und nicht hinzuerfinden!
Einstellung des Verfahrens und Strafen
Die Staatsanwaltschaft kann das Ermittlungsverfahren auf zwei Weisen einstellen: mit und ohne Folgen. Falls kein Tatverdächtiger namhaft gemacht werden konnte, wird das Verfahren in der Regel ohne Folgen vorläufig eingestellt. Wenn innerhalb der Verjährungsfrist von 20 Jahren dann doch ein Tatverdächtiger in Erscheinung tritt, kann das Verfahren jederzeit wieder aufgerollt werden. Wenn es einen Beschuldigten gibt, kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren unter bestimmten Auflagen einstellen, die binnen einer gesetzten Frist erfüllt werden müssen: Der Beschuldigte muss z. B. den angerichteten Schaden wiedergutmachen, eine Zahlung an eine gemeinnützige Organisation oder Arbeit für einen gemeinnützigen Zweck leisten oder an einem "Täter-Opfer-Ausgleich" teilnehmen, damit das Verfahren endgültig eingestellt werden kann.
Auch das Gericht kann, während eines Strafbefehlsverfahrens, das Verfahren mit einer der o. g. Weisungen einstellen. Außerdem besteht die Möglichkeit, eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr auf Bewährung zu verhängen. Gegen den Strafbefehl kann der Angeklagte Einspruch einlegen. Tut er das, kommt es zur Hauptverhandlung.
An der Hauptverhandlung können Sie die ganze Zeit teilnehmen und Zeugen befragen, wenn Sie als Nebenkläger auftreten. Es gibt nun vier Möglichkeiten eines Urteils:
- Freispruch: Wenn dem Angeklagten die Schuld nicht nachgewiesen werden kann oder er unschuldig ist, ergeht der Freispruch.
- Verwarnung mit Strafvorbehalt: Wenn dem Angeklagten die Tat nachgewiesen werden konnte, das Gericht aber der Ansicht ist, dass er keine Straftaten mehr begehen wird, kann er verwarnt werden. Dabei wird von einer Strafe abgesehen, es gibt aber eine Geldstrafe (bis zu 180 Tagessätze), die für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wird.
- Geldstrafe: Wenn dem Angeklagten die Tat nachgewiesen werden konnte, kann er zu einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen á 1 - 5000€ verurteilt werden. Diese Geldstrafe fließt nicht dem Opfer zu, eine entsprechende Zahlung kann im Täter-Opfer-Ausgleich festgesetzt werden.
- Freiheitsstrafe: Wenn dem Angeklagten die Tat nachgewiesen werden konnte, kann eine Freiheitsstrafe mit oder ohne Bewährung verhängt werden. Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren können zur Bewährung ausgesetzt werden, längere Strafen nicht. Das Strafmaß hängt von der Schwere der Schuld und weiteren Faktoren ab.
Weitere Informationen zur Strafbarkeit und dem Ablauf des Strafverfahrens finden Sie auf der Seite der Polizei-Beratung der Länder und des Bundes.
Hilfe für Opfer und Angehörige von Gewalt
Wenn Sie Opfer von sexueller Gewalt geworden sind, sollten Sie sich, wie oben beschrieben, dringend an eine Polizeidienststelle und einen Arzt wenden. Haben Sie keine Angst vor einer Anzeige: Sie sind nicht Schuld an der Tat. Die Verantwortung liegt allein beim Täter!
- Unter der kostenlosen Telefonnummer des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen" 08000 - 116 016 können Frauen, die Opfer von Gewalt sind, rund um die Uhr qualifizierte Beraterinnen erreichen. Auch bei Gewalt in der Prostitution oder gegen Prostituierte sowie in Fällen von Menschenhandel und Zwangsprostitution hilft die Rufnummer. Die Beratung erfolgt anonym und barrierefrei. Gespräche können in 17 Sprachen übersetzt werden. Bei Bedarf werden an Anlaufstellen vor Ort vermittelt.
- Der Weisse Ring e.V. bietet qualifizierte Hilfe für Opfer von Sexualdelikten.
- Das Hilfeportal Missbrauch des Bundes hilft Ihnen mit qualifizierten Informationen weiter.
- Wenn Sie sich nicht an die Polizei wenden möchten und nicht wissen, wohin sie gehen sollen, wenn Sie Ihren Mann verlassen wollen, helfen Ihnen Frauenhäuser weiter. Dort werden Sie (auch mit Ihren Kindern) aufgenommen und können weitere Hilfe in Anspruch nehmen.
- Ihr Partner oder ein naher Angehöriger ist Opfer von sexueller Gewalt geworden und Sie wissen nicht, wie Sie damit umgehen sollen? Das Portal Hilfe für Partner richtet sich direkt an Partner von Opfern und hält Tipps zur Bewältigung einer solchen Straftat bereit. Wichtig ist, dass Sie dem Opfer keine Vorwürfe und Schuldvorwürfe machen und es zu nichts drängen. Bieten Sie gerne an, zuzuhören oder mit dem Opfer zur Polizei oder zum Arzt zu gehen - haben Sie aber Verständnis, wenn das Opfer keine direkte Hilfe möchte.
Wenn Sie auf markt.ch eine Anzeige entdecken, die Ihnen auffällig erscheint, melden Sie sie bitte über das Kontaktformular. Das markt.ch-Team arbeitet eng mit den strafrechtlichen Behörden zusammen und meldet auch Vorfälle direkt den Ermittlungsbehörden.
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Textquellen:
https://www.hilfeportal-missbrauch.de/hilfen-fuer/angehoerige-und-soziales-umfeld.htmlhttp://www.frauenhauskoordinierung.de/
http://www.hilfe-fuer-partner.de/
http://www.wildwasser.de/
https://www.hilfeportal-missbrauch.de/startseite.html
https://www.frauen-gegen-gewalt.de/was-ist-das-228.html
https://dejure.org/gesetze/StGB/177.html
https://www.weisser-ring.de/internet/
http://www.polizei-beratung.de/opferinformationen/sexuelle-noetigung-vergewaltigung/tipps.html
https://www.frauen-gegen-gewalt.de/was-ist-das-187.html
https://dejure.org/gesetze/StGB/178.html
http://www.sueddeutsche.de/politik/sexualstrafrecht-wenn-ein-nein-nicht-reicht-1.2968012
http://verfassungsblog.de/warum-die-reform-des-sexualstrafrechts-keine-ist/
https://dejure.org/gesetze/StGB/223.html
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundesregierung-beschliesst-verschaerfung-des-sexualstrafrechts-a-1082607.html
http://www.zartbitter.de/gegen_sexuellen_missbrauch/Aktuell/100_index.php
http://www.polizei-beratung.de/opferinformationen/
http://www.partnerschaft-beziehung.de/sexuelle-gewalt-ehe.html
http://www.gewaltgegenfrauen.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen243.c.5521.de
https://www.re-empowerment.de/haeusliche-gewalt/gewaltformen/sexuelle-gewalt/
http://www.huffingtonpost.de/2014/08/27/frau-objekt-sexismus_n_5721380.html
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/sexualstrafrecht-waere-die-vagina-doch-ein-auto-kolumne-a-1089732.html